ausstellungsansicht
Ausstellungsansicht
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amorphe Steine
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Amorph und Psyche
spiegelung
Lichtreflexion
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kette

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Kette
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Spiegelung

„schwarzarbeit“

Alf Setzers Arbeiten entstehen aus dem Material. – Schwarzarbeit, das ist zuerst die Arbeit mit dem Schwarzen Stein. Schwarz, das als Farbe Licht absorbiert und für den Bildhauer den umgebenden Raum zum Verschwinden bringt, poliert aber zu glänzenden Spiegelungen führt. Setzer hat in diesen Schwarzarbeiten seit 2007 in einer ganzen Serie das Spiel von Absorption und theatralischer Oberfläche in verschiedensten Varianten durchgespielt. Höhungen, Tiefungen, Spiegeleffekte, absorbierende matte Oberflächen und Formen werden gegeneinander und miteinander in ein Formspiel gebracht. Das Verhältnis von Formkontrast und Materialkontrast wird dabei mit höchster Konsequenz ausgelotet. Ein ‚Duales System’ herrscht auch im plastischen Arbeiten – Formstrenge in der Bildhauerarbeit und spielerische Umsetzung in der Installation – bringt dialektische Gegensätze hervor, ohne sie ineinander zu synthetisieren. In der konsequenten klassischen Steinbearbeitung, vergleichbar dem architektonischer denkenden Erwin Heerich in Hombroich, gewinnt Alf Setzer zum einen dem schwarzen Granit organische Formen und unterschiedliche Oberflächen ab. Zum anderen spielen bei ihm die Installation und die immer neuen gegensätzlichen Reaktionen der Materialien eine ungleich größere Rolle. So konfrontiert er den schwarzen Stein auch mit Glas, Styropor, Farbe und anderen Materialien, entwickelt dabei Plastiken von großer formaler Konsequenz. Setzer erweitert sein Material weiter um Leuchtstoffröhren, Kalksteinsplitt, Schotter und die Formgebung um Techniken der Installation: Ketten werden aufgezogen, Wasser geschüttet, Oberflächen mit Farbe bespritzt oder Tücher eingesetzt. Licht und Spiegelungen, Absorption und Reflexe öffnen seine Arbeiten dem umgebenden Raum – öffentlichen, sakralen und privaten Räumen.

Im Stuttgarter Kunstverein, dessen Vorsitzender Hans Michael Rupprechter in einer Ausstellungsserie verschiedenen Künstlern die eigene Wohnung als öffentlichen Ausstellungsraum zur Verfügung stellt, lotet Setzer die Darstellungsmöglichkeiten seiner formstrengen Steinarbeiten in einer Rauminstallation aus. Mit dem vorgefundenen Mobiliar entstand ein surrealistisch anmutendes Ensemble, das das materielle Spiel zwischen Absorption und Theatralik ins Szenische transponiert. An- und Abwesendes werden ineinander verspiegelt. Die dabei entstehenden neuen Kontraste zwischen Material und Inszenierung bewegen sich an den Rändern der Installationskunst. Wie viel Theater verträgt die Steinmetz- und Bilderhauerarbeit?

Die zur Eröffnung die Hauswand herabwehende schwarze Fahne als öffentliches Zeichen wurde vom Haus, der Wohnung, dem Zimmer absorbiert, wandelt sich zum Tischtuch und personalisiert sich zuletzt zu einem über den Stuhl geworfenen Gewand eines Abwesenden. An- und abwesend zugleich sind die Gäste, das Polster jedes Stuhls wird von flachen, geschliffenen, schwarzen Granitsteinen beschwert, einen persönlichen ‚Ein-druck’ hinterlassend. Auf dem Tisch sieht man die umeinander kreisenden Redebeiträge zweier konisch geformter Steine, auch sie mit polierter oberer Fläche, die Seiten dagegen matt – so dass sie sich nicht ineinander spiegeln können. Aber die Szenerie am Tisch will nicht zu wörtlich genommen werden, denn das Spiel um Absorption und theatralische Oberflächen geht weiter.

Dem polierten afrikanischem Granit Nero Assoluto und schwarz-schwedischem Granit kontrastiert hier ein Straßenmaterial: Splittsteine aus grauem Kalk. Die Anordnung der Splittsteine auf den Möbeln wirkt auf den ersten Blick zunächst rein dekorativ: Ketten umsäumen das Art Deco-Tischchen, auf der vorgefundenen Kommode bedeckt eine Schicht grauer Steine die Oberfläche. Graue kalkene Ketten streben wie Schweifspuren von Seelen aus der Servierschüssel unterm Stuhl zu Höherem, immer mehr kleine Steine quellen aus dem Inneren der chinesischen Vase. Dekorativ ist dieses Material von draußen allerdings kaum – mit seiner extrem stumpfen Oberfläche rau behauenen plastischen Zufalls. Der sonst mit Füßen getretene Kalksteinsplitt absorbiert das Theatralische der Dekoration: erst auf den zweiten Blick kann man die aufgefädelte graue Hals-Kette, die auf den grauen Splittsteinen der Tischplatte liegt, erkennen.

Die Teilnehmer der Tischgesellschaft sind hier noch nicht oder nicht mehr. Ihre anwesende Abwesenheit bringt die Szene aus der Zeit, entgegen der Theatralik der Inszenierung gibt es keinen Ablauf von Ereignissen, sondern der Betrachter gerät in den zeitlosen Raum des dialogischen Stillstands hinein, der von weiteren Formen aus bearbeitetem schwarzen Granit an der Wand reflektiert wird. Hier fliegt der schwere, schwarze Granit, Formen verteilen sich an den Wänden, mal höher, mal tiefer. Zwischen zwei gegeneinander verdrehten Flächen bildet sich eine plastische Form des Steins, dessen Körper durch seine matte Haut zwischen diesen Grundflächen in eigene Richtungen zu pulsieren scheint. Die polierte vordere Fläche und ihr nicht-kongruenter matter Körper entwickeln aus ihrer Materialbeschaffenheit ein Eigenleben und eine konträre Dynamik, die auch die tiefenräumliche Wahrnehmung tangiert. Auf ihren hochglanzpolierten Oberflächen entstehen „Gesichter“ des Steins, die in den Raum der Tischszene zurückblicken, Details spiegeln, dem schwarzen Stein eine theatralische Maske aufziehen, die sie zwischen Zuschauerposition und Selbstbespiegelung in der Schwebe hält.

Das Spiel von Lichtreflexen und Schattenwürfen nehmen auch die zweidimensionalen Arbeiten auf, die an den Wänden lehnen. In den Rahmen hat Setzer die Technik des Fotogramms als Bildhauer uminterpretiert. Im räumlichen Schatten des Farbstrahls erzeugte er durch eine auf Papier gelegte Drahtkonglomeration, die mit Lackspray besprüht wurde, manuell, unchemisch, jene weißen Formen, die sonst unberührt von den Fingern des Lichtes ihre negative Spur auf dem Fotopapier hinterlassen. Die Spuren des Lichts lotet dagegen eine Videoarbeit im Nebenraum aus, die durch das automatisierte, irisierende Scharfstellen einer Digitalkamera angesichts verschiedenfarbiger im Rhythmus aufleuchtender Neonröhren wandernde Farbstreifen und -räume eröffnet. Die digitale Absorption der Lichtverhältnisse bringt die fotografische Linse dazu, ein Rothko’sches Farbtheater aufzuführen. Ein medialer Spiegel des Installationstheaters im anderen Raum.

Setzers Inszenierung interpretiert jenes bereits in die Jahre gekommene Gegensatzpaar, das Michael Fried 1980 als historisches Betrachterverhalten vor den Bildern des 18. Jahrhunderts analysierte in einem völlig neuen Zusammenhang der Materialreaktionen. Der Stein, die Tischszenerie ist durch die Hand der Inszenierung sich ebenso Betrachter genug wie die Fotolinse ihr Spiel für sich selbst aufführt. Schwarzarbeit ist hier die Aufführung des plastischen Materials, das dem Betrachter keinen Tribut zollt.

Bärbel Küster


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